Diagnose der ITP
Leiden Sie häufig unter blauen Flecken oder bluten Sie schneller und länger als üblich? Dann steht der Verdacht auf eine Gerinnungsstörung, wozu die Immunthrombozytopenie (ITP) gehört, im Raum. Bei Menschen ohne Blutungssymptome wird der dafür verantwortliche Thrombozytenmangel hingegen häufig zufällig im Rahmen von Routineuntersuchungen festgestellt. In mehreren Schritten wird dann versucht, die Ursache dafür zu finden.
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Häufigkeit und Ursachen
Die ITP ist eine seltene Erkrankung, die nicht vererbt wird. Durch eine Fehlfunktion des Immunsystems kommt es zu einem vermehrten Abbau und einer verringerten Neubildung der Blutplättchen (Thrombozyten). Doch warum spielt das körpereigene Abwehrsystem plötzlich verrückt?
Was passiert bei Verdacht auf eine ITP?
Für die meisten Menschen ist normalerweise ihr Hausarzt bzw. für Eltern betroffener Kinder der Kinderarzt der erste Ansprechpartner bei allen möglichen Symptomen und Erkrankungen. Somit werden auch bei Patienten mit leichten Blutungssymptomen zuerst in der Hausarzt- oder Kinderarztpraxis die ersten Untersuchungen durchgeführt, um die Ursache dafür zu finden. Besteht der Verdacht auf einen Mangel an Thrombozyten (Thrombozytopenie) wird Ihr Arzt weitere Untersuchungen veranlassen und Sie, wenn nötig, an einen auf Blutkrankheiten spezialisierten Fachkollegen (Hämatologen) überweisen. Dieser wird mithilfe verschiedener diagnostischer Maßnahmen versuchen herauszufinden, was die Thrombozytopenie verursacht. Erst dann, wenn alle Erkrankungen (Differenzialdiagnosen), die einen Mangel an Blutplättchen ebenfalls erklären könnten, ausgeschlossen wurden, kann die Diagnose ITP gestellt werden. Es gibt keinen spezifischen Labortest, um eine ITP zu beweisen.1
Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese)

Erster Schritt der Diagnostik ist eine gründliche Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) des Patienten. Dabei wird Ihr Arzt Sie vor allem nach aktuellen, aber auch zurückliegenden Symptomen und Blutungsereignissen fragen und den möglichen Ursachen, z. B. Medikamenteneinnahme, Schwangerschaft, Alkoholkonsum oder dem Vorhandensein einer Virus-Infektion oder Krebserkrankung, nachgehen. Zudem versucht der Arzt in Erfahrung zu bringen, ob zuvor Blutgerinnsel (Thrombosen) aufgetreten sind und mögliche familiäre und berufliche Belastungen bestehen.
Körperliche Untersuchung

Bei der darauffolgenden körperlichen Untersuchung achtet der Arzt auf Anzeichen von Blutungen sowie Veränderungen der Lymphknoten und ertastet über die Bauchwand eine mögliche Vergrößerung von Milz und Leber.
Großes Blutbild

Weisen die Ergebnisse der Anamnese und der körperlichen Untersuchung auf einen möglichen Thrombozytenmangel hin, dann wird ein großes Blutbild erstellt. Neben der Anzahl der roten und weißen Blutkörperchen gibt das Blutbild unter anderem auch Aufschluss über die Konzentration der Thrombozyten (Blutplättchen) im Blut.
Peripherer Blutausstrich

Wenn sich durch das große Blutbild der Verdacht auf einen Thrombozytenmangel (Thrombozytopenie) erhärtet, wird zusätzlich ein Blutausstrich vorgenommen. Hierzu wird ein Blutstropfen im Labor auf einen Glasträger ausgestrichen, angefärbt und dann mikroskopisch begutachtet. Für die Durchführung und Beurteilung des Ausstrichs sollte immer ein mit der Diagnostik der ITP vertrauter Hämatologe hinzugezogen werden. Dieser kann möglicherweise schon einige Differenzialdiagnosen ausschließen oder aber andere Erkrankungen erkennen.
Gerinnungsparameter

Gerinnungstests wie z. B. der Quick-Test oder die Bestimmung des Fibrinogenwertes dienen zur Überprüfung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes und können Anhaltspunkte für mögliche Ursachen des Thrombozytenmangels liefern.
Bei unauffälliger Anamnese und ansonsten normalen Blutwerten kann nach einem mehrfach gemessenen Abfall der Thrombozytenzahl auf unter 100.000/µl Blut die Diagnose ITP gestellt werden.
In bestimmten Fällen zählt auch die Knochenmarkpunktion, eine Untersuchung aus der Hämatologie, zur Basisdiagnostik.

Therapie und Behandlung
Haben die Ergebnisse der Basisdiagnostik den anfänglichen ITP-Verdacht bestätigt, dann können Medikamente helfen, die Thrombozytenzahl wieder anzuheben. Bei manchen Patient*innen ist es auch möglich erst einmal abzuwarten, ob sich die Thrombozyten von selbst erholen. Die vorhandenen Beschwerden, der Krankheitsverlauf, aber auch individuelle Wünsche bestimmen, welches Vorgehen wann und für wen am besten geeignet ist.
Was ist eine Knochenmarkpunktion und wann wird sie gemacht?
Ziel einer Knochenmarkpunktion ist die Entnahme einer kleinen Menge an Gewebe, um die blutbildenden Zellen im Knochenmark zu untersuchen. Zwar kann die Immunthrombozytopenie dadurch nicht bewiesen werden, allerdings lassen sich alternative Diagnosen (z. B. eine Leukämie) ausschließen. Eine Knochenmarkpunktion wird empfohlen, wenn …
- das Krankheitsbild nicht eindeutig ist und nach erfolgter Basisdiagnostik weiterhin Zweifel an der Diagnose Immunthrombozytopenie bestehen (z. B. wenn nicht nur die Thrombozytenzahlen, sondern auch die Werte der weißen oder roten Blutkörperchen verändert oder Leber oder Lymphknoten vergrößert sind).
- eine Entfernung der Milz (Splenektomie) geplant ist und/oder der Patient über 60 Jahre alt ist, da mit zunehmendem Alter andere Erkrankungen als Ursache für einen Thrombozytenmangel immer wahrscheinlicher werden.

Die Knochenmarkpunktion dauert nur rund 15 Minuten und kann mit örtlicher Betäubung meistens ambulant vorgenommen werden. Mit einer speziellen Nadel auf einer Spritze werden entweder aus dem Beckenknochen im Bereich des hinteren Beckenkamms oder seltener aus dem Brustbein, wo die Knochen jeweils direkt unter der Haut liegen, etwa fünf bis zehn Milliliter Knochenmark abgesaugt. Die Prozedur verläuft fast schmerzfrei. Meistens spüren die Patienten nur ein leichtes Druckgefühl an der Punktionsstelle und einen kurzen, stechenden Schmerz, sobald das Knochenmark in die Spritze aufgesaugt wird. Zur Stillung der Blutung wird die Einstichstelle mit einem Pflaster versorgt und dieses mit einem Sandsäckchen beschwert.2 Nach gut einer Stunde wird geschaut, ob die Blutung gestillt ist. Gerade bei Patienten mit Thrombozytenmangel besteht natürlich eine verstärkte Blutungsgefahr. Doch in der Regel lässt sich auch bei ihnen eine Knochenmarkpunktion ohne größeres Komplikationsrisiko durchführen.3
Die gewonnenen Knochenmarkzellen werden anschließend im Labor auf einen Glasträger ausgestrichen, angefärbt und dann mikroskopisch begutachtet. Bei ITP-Patienten zeigt sich dabei in der Regel nur eine leichte Vermehrung der Megakaryozyten (Vorläuferzellen der Thrombozyten) bei sonst normalem Befund.4
Weiterführende Untersuchungen bei andauerndem Thrombozytenmangel
Wenn der Thrombozytenmangel länger andauert, d. h. bei persistierender oder chronischer ITP, die sich auch mit medikamentösen Maßnahmen nicht in den Griff bekommen lässt, sollten zum Ausschluss einer bislang unentdeckten zugrundeliegenden Erkrankung weitere Untersuchungen erfolgen:

- Serum-Elektrophorese und/oder Bestimmung von Serum-Immunglobulinen: Die im wässrigen Anteil des Blutes (Serum) vorhandenen Eiweiße werden aufgetrennt und ggf. auf bestimmte Immunglobuline (Abwehrstoffe des Immunsystems) untersucht, um verschiedene Immundefekte oder ein Myelom (bösartige Erkrankung des Knochenmarks) auszuschließen.
- Autoimmundiagnostik: Hierbei wird nach bestimmten Abwehrstoffen (z. B. Autoantikörpern gegen weiße Blutkörperchen und Antiphospholipid-Antikörpern) gesucht, um eine sekundäre ITP im Rahmen einer anderen Autoimmunerkrankung wie etwa einer rheumatoiden Arthritis, Vaskulitis (Gefäßentzündung) oder eines Lupus erythematodes (chronische, entzündliche Erkrankung des Bindegewebes) auszuschließen. Zur Bestätigung der ITP-Diagnose kann auch der Nachweis von Thrombozyten-Autoantikörpern erfolgen, wenngleich ein negatives Ergebnis im Umkehrschluss eine ITP nicht mit Sicherheit ausschließt.
- Von-Willebrand-Faktor-Multimer-Analyse: Der Von-Willebrand-Faktor spielt eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung. Erkrankungen, bei denen dieses Blutprotein unzureichend oder fehlerhaft gebildet wird, sind durch eine ungewöhnlich starke Blutungsneigung gekennzeichnet. Bei Patienten mit einer bestimmten Form des Von-Willebrand-Syndroms können mäßige bis schwere Thrombozytopenien auftreten. Daher sollte diese Erkrankung als Ursache für die Blutungssymptome ausgeschlossen werden.
Sofern noch nicht im Zuge der Basisdiagnostik erfolgt, gehört auch die Knochenmarkpunktion zu den weiterführenden Untersuchungen.
Weitere diagnostische Maßnahmen sind:
- Gründliche Schilddrüsendiagnostik
- Bildgebende Untersuchungen (Röntgen, Ultraschall oder Computertomographie), um z. B. solide Tumoren oder einen Morbus Gaucher auszuschließen
- Blutgruppentestung (für den Notfallausweis und vor Operationen mit großem Blutungsrisiko)
- Untersuchung des Blut-/Urinzuckers (insbesondere bei wiederholter Therapie mit Kortikosteroiden)
- Untersuchung auf Infektionen mit HIV und Hepatitis
Diagnose ITP: Und nun?
Für manche Betroffene mag es beruhigend sein zu wissen, nicht an einer bösartigen, mitunter lebensbedrohlichen Erkrankung zu leiden. Andere hadern womöglich damit, dass kein eindeutiger Auslöser für die Erkrankung auszumachen ist und fragen sich, warum es gerade sie trifft. Dann kann vielleicht die Tatsache beruhigen, dass in den allermeisten Stadien der ITP verschiedene Therapien für die Behandlung der Symptome verfügbar sind und eine Chance auf eine dauerhafte Erholung der Thrombozytenzahlen besteht.
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Symptome der ITP
Die Folgen eines Thrombozytenmangels sind vielfältig. Neben verschiedenen Blutungssymptomen können auch starke Erschöpfungszustände auftreten.

Verlauf und Stadien der ITP
Die ITP wird in verschiedene Stadien eingeteilt. Hierbei ist in den ersten beiden Stadien die Chance auf eine Spontanheilung am größten.
Quellen:
- Onkopedia-Leitlinie Immunthrombozytopenie https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/immunthrombozytopenie-itp/@@view/html/index.html, zuletzt aufgerufen am 21.04.2023.
- Kompetenznetz Leukämien. https://www.kompetenznetz-leukaemie.de/content/patienten/diagnostik/knochenmarkpunktion/, zuletzt aufgerufen am 21.04.2023.
- Onkodin. https://www.onkodin.de/e8/e63554/e63558/e63665/., zuletzt aufgerufen am 21.04.2023.
- EBMT. Immunthrombozytopenie – Ein praxisnaher Leitfaden für medizinisches Fachpersonal.