ITP-Therapie und -Behandlung

Wenn die Diagnose ITP feststeht, kommt bei den Betroffenen die Frage auf, wie es nun weitergeht. Während die Erkrankung bei Kindern oft spontan ausheilt, müssen fast zwei Drittel der Erwachsenen Patienten teilweise über Jahre hinweg engmaschig betreut werden. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie, welche Therapiemöglichkeiten derzeit für die Behandlung der ITP zur Verfügung stehen.

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Diagnose ITP – Wie geht es nun weiter?

Nach der Diagnose ITP werden der betreuende Hämatologe (ein auf die Behandlung von Bluterkrankungen spezialisierter Arzt) und der Patient gemeinsam entscheiden, ob die ITP medikamentös behandelt werden soll oder ob vorerst beobachtet und abgewartet wird (Watch & Wait). Bei der Entscheidung für oder wider eine Therapie spielt nicht unbedingt die Anzahl der Blutplättchen (Thrombozyten) die wichtigste Rolle, sondern vielmehr die persönliche Blutungsneigung. Starke oder lebensbedrohliche Blutungen sollten immer therapiert werden. Bei mittelstarken Blutungen kann eine Behandlung in Betracht gezogen werden.

Leben mit ITP: Eine Ärztin und eine Patientin im Gespräch

Bestehen hingegen keine oder nur leichte Blutungen (rund ein Viertel der Betroffenen mit chronischer ITP zeigt keine Blutungssymptome!), ist eine medikamentöse ITP-Therapie nicht unbedingt erforderlich. Sie kann aber bei Betroffenen mit erhöhtem Verletzungsrisiko im Beruf oder in der Freizeit sinnvoll sein.

Neben der Blutungsneigung richtet sich die Therapieentscheidung auch nach dem Krankheitsverlauf und dem Stadium der Erkrankung. Zusätzlich werden zu erwartende Nebenwirkungen der verschiedenen Medikamente, Begleiterkrankungen, das Alter sowie Patientenwünsche berücksichtigt.

Leben mit ITP: Tabelle nach WHO über die Einteilung der Blutungsgrade
Leben mit ITP: Tabelle nach WHO über die Einteilung der Blutungsgrade
Leben mit ITP: Teaserbild zum Artikel „Verlauf und Stadien“

Wie verläuft die ITP?

Nicht alle Therapien sind in allen Krankheitsstadien gleichermaßen geeignet. Das Vorgehen hängt unter anderem davon ab, wie schwer die ITP verläuft und wie lange sie bereits besteht. Welche Krankheitsstadien es gibt und wie die Heilungsaussichten sind, können Sie hier nachlesen.

Wie sieht die ITP-Therapie genau aus?

Das Ziel der ITP-Therapie ist in erster Linie eine Ausheilung der Erkrankung. Außerdem strebt die medikamentöse Behandlung an, schwere und lebensbedrohliche Blutungen möglichst vollständig zu verhindern und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Dafür greifen die verschiedenen Therapien an zwei unterschiedlichen Stellen ins Krankheitsgeschehen ein. Die meisten ITP-Therapien zielen darauf ab, das körpereigene Abwehrsystem zu dämpfen (Kortikosteroide und Immunsuppressiva) und den Blutplättchenabbau vorwiegend in der Milz zu verringern (Immunglobuline, Milz-Tyrosinkinase-Hemmer oder Milzentfernung). Ein anderer Angriffspunkt ist die Förderung der Blutplättchenneubildung im Knochenmark durch Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten.

Leben mit ITP: Grafik zum Blutplättchenabbau

Nach der Diagnose der ITP erfolgt die Behandlung in aufeinanderfolgenden Schritten. Die erste Behandlung nach Diagnose wird als Erstlinientherapie bezeichnet. Wenn die Behandlung mit Medikamenten der Erstlinie nicht erfolgreich ist und die ITP bereits seit gewisser Zeit besteht, dann können weitere Therapieversuche mit sogenannten Zweitlinienmedikamenten unternommen werden. Lassen sich auch mit den Möglichkeiten der Zweitlinie die Thrombozytenzahlen nicht dauerhaft anheben und treten immer wieder belastende Blutungen auf, dann kann der Einsatz von Medikamenten der Drittlinie in Betracht gezogen werden. Bei der Frage, ob und wie die ITP behandelt werden sollte, wird immer auch der Wunsch der Patienten berücksichtigt.

Es ist nicht selten, dass Patienten zwar gut auf eine medikamentöse Therapie ansprechen, nach dem Absetzen der Medikamente die Thrombozytenzahlen aber rasch wieder abfallen. So war es auch bei Frank Grieser, dem deshalb im Anschluss an eine Kortison-Therapie zur Entfernung der Milz geraten wurde. Dass es sich vor diesem endgültigen Schritt aber durchaus lohnt, im Zweifel eine Zweitmeinung einzuholen und verschiedene Therapiemöglichkeiten auszuprobieren, davon berichtet der Vater von zwei Töchtern im Video.

Leben mit ITP: Grafik mit der ITP-Leitlinie

Erstlinientherapie

Patienten, die sich nach der Diagnose ITP gemeinsam mit dem Arzt für eine medikamentöse Therapie entschieden haben, werden standardmäßig mit Kortikosteroiden in hoher Dosierung behandelt. Bei Bedarf kommen zusätzlich Immunglobuline und Thrombozytenkonzentrate zum Einsatz.

Kortikosteroide

Kortikosteroide dämpfen das Immunsystem und hemmen so die Bildung von Autoantikörpern gegen die körpereigenen Blutplättchen, die anderenfalls abgebaut würden. Die Behandlung in Tablettenform erstreckt sich über mindestens drei Wochen bis hin zu mehreren Monaten. Bei einem Großteil aller Patienten kann auf diesem Wege schon nach kurzer Zeit eine deutliche Zunahme der Blutplättchen erreicht werden. Nach Beendigung der Kortikosteroid-Therapie fällt die Blutplättchenzahl bei einigen Betroffenen wieder ab. Sobald nicht mehr die notwendige Anzahl an Blutplättchen erreicht werden kann oder die Medikamente vom Patienten nicht vertragen werden (typische Nebenwirkungen sind z. B. Akne, Gewichtszunahme oder Abnahme der Knochendichte), können weitere ITP-Therapiemöglichkeiten der Zweitlinie ins Auge gefasst werden.

Immunglobuline/Thrombozytenkonzentrate

Wenn die Blutplättchenzahl besonders schnell angehoben werden muss, beispielsweise wenn eine notwendige Operation ansteht oder schwere Blutungen auftreten, können zusätzlich zur Kortikosteroid-Therapie intravenös Antikörper, sogenannte Immunglobuline, gegeben werden (meistens reicht eine Infusion). Immunglobuline werden aus dem menschlichen Blut isoliert und verhindern den vorzeitigen Abbau der Blutplättchen. Zur Stillung lebensbedrohlicher Blutungen kommen auch Thrombozytenkonzentrate zum Einsatz, die den Mangel an Blutplättchen ausgleichen sollen.

Zweitlinientherapie

Wenn mit der Erstlinientherapie keine ausreichende oder anhaltende Steigerung der Blutplättchenzahl erreicht wird oder die Mittel vom Patienten schlecht vertragen werden, kann der Einsatz von Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten oder eines für die ITP zugelassenen Milz-Tyrosinkinase-Hemmers ins Auge gefasst werden. Auch die Entfernung der Milz (Splenektomie) stellt eine Therapieoption dar.

Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten (TPO-RA)

TPO-RA bewirken einen Anstieg der Blutplättchenzahl, indem sie die Neubildung von Blutplättchen aus den Vorläuferzellen (Megakaryozyten) anregen. Mit dieser Wirkweise unterscheiden sich diese Substanzen von anderen Therapiemöglichkeiten, die darauf abzielen den Blutplättchenabbau zu hemmen. Die Behandlung mit TPO-RA erfolgt in Form von Tabletten oder Spritzen und kann über Monate oder Jahre fortgesetzt werden, um die Anzahl der Blutplättchen zu stabilisieren und die Blutungsneigung zu minimieren.

Milz-Tyrosinkinase-Hemmer

Milz-Tyrosinkinase-Hemmer blockieren die Aktivität des Enzyms Milz-Tyrosinkinase. Dieses Eiweiß spielt unter anderem eine wichtige Rolle beim Abbau von Thrombozyten in der Milz. Der für die ITP zugelassene Tyrosinkinase-Hemmer wird in Tablettenform verabreicht.

Entfernung der Milz

Die chirurgische Entfernung der Milz kommt heutzutage eigentlich nur noch infrage, wenn alle medikamentösen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind und Patienten immer wieder unter schweren Blutungen leiden. Eine Ausnahme ist die notfallmäßige Entfernung der Milz bei lebensbedrohlichen Blutungen, die anderweitig nicht unter Kontrolle gebracht werden können. Da der Abbau der Blutplättchen überwiegend in der Milz stattfindet, bewirkt ihre Entfernung eine rasche und oftmals dauerhafte Erholung der Blutplättchenzahl. Weil die Milz jedoch auch wichtige Aufgaben des körpereigenen Abwehrsystems übernimmt, müssen die Patienten abgesehen von den unmittelbaren Operationsrisiken mit einer lebenslang erhöhten Infektanfälligkeit rechnen.

Leben mit ITP: Illustration der Lage der Milz

Drittlinientherapie

Sprechen behandlungsbedürftige Patienten auch auf die Zweitlinientherapie nicht an oder erleiden sie immer wieder einen Rückfall, dann kann auf verschiedene Medikamente, sogenannte Immunsuppressiva, zurückgegriffen werden, die normalerweise in der Transplantations- oder Krebsmedizin eingesetzt werden, um das körpereigene Abwehrsystem zu unterdrücken. Ziel ist auch hier, die Bildung von Autoantikörpern und somit den übermäßigen Blutplättchenabbau zu verhindern.

Leben mit ITP: Teaserbild zum Thema „Arztbesuch“

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren/Ihre Ärzt*in

Ihre Thrombozytenwerte sind im Keller und Sie haben sich gemeinsam mit Ihrem/Ihrer Ärztin für eine Behandlung entschlossen? Doch kaum haben Sie die Praxis verlassen, fallen Ihnen Fragen zu Ihrer Therapie ein, die Sie vergessen haben zu stellen? Sie sind nicht sicher, ob Sie alles hundertprozentig verstanden haben? Hier finden Sie wertvolle Tipps, wie Sie sich gut auf das nächste Arztgespräch vorbereiten können und worauf es währenddessen und danach zu achten gilt.

Wie beeinflusst die ITP-Therapie mein Leben?

Um den Erfolg der ITP-Behandlung zu beurteilen, müssen die Blutplättchenwerte zu Therapiebeginn besonders engmaschig, d. h. mitunter täglich kontrolliert werden. Wenn sich die Anzahl erholt und stabilisiert hat, können die Kontrollintervalle immer weiter ausgedehnt werden. Dann ist nur noch alle 2–4 Wochen ein Arztbesuch und eine Überprüfung der Blutplättchenzahl notwendig.

Viele Patienten fragen sich, ob sie nun ihr Leben lang Medikamente einnehmen und mit den möglichen Nebenwirkungen leben müssen. Im ersten Jahr nach der Diagnose besteht noch eine große Chance, dass die ITP spontan ausheilt. Bei einigen Betroffenen ist dies aber auch nach mehreren Jahren noch möglich.

Leben mit ITP: Eine Frau schaut in sich gekehrt über ein Geländer

Bei dauerhaft stabiler Blutplättchenzahl und Blutungsfreiheit kann gemeinsam mit dem behandelnden Arzt über eine Beendigung der medikamentösen Behandlung nachgedacht werden. Ein langsames Ausschleichen der Behandlung ist dabei wichtig, diese wird vom Arzt individuell auf den Patienten abgestimmt.

Was kann ich selbst tun?

Voraussetzung für das Gelingen der Immunthrombozytopenie-Therapie ist eine zuverlässige Einnahme der verordneten ITP-Medikamente. Je nach Medikament und Erkrankungsverlauf müssen diese täglich eingenommen werden und das teilweise über Monate oder Jahre.

Es bleibt nicht aus, dass Betroffene zusätzlich an einer anderen Krankheit erkranken, was die Einnahme von weiteren Medikamenten notwendig machen kann. Um jegliche Wechselwirkungen mit ITP-Medikamenten oder einen Einfluss auf die Blutplättchen zu vermeiden, sollten Patienten vor Anwendung immer Rücksprache mit ihrem Arzt halten und sofern nötig, möglichst auf die Einnahme der entsprechenden Mittel verzichten. Dies gilt auch für nicht verschreibungspflichtige Medikamente wie z. B. Schmerzmittel.

Leben mit ITP: Eine Frau hilft einem Mann beim Brotschmieren

Weitere hilfreiche Tipps für den Alltag finden Sie in unserer Rubrik „Alltagstipps“.

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Alltagstipps

Auch mit der Diagnose ITP ist ein aktiver Alltag und ein erfülltes Leben ohne große Einschränkungen möglich. Wenn Sie ein paar wichtige Punkte beherzigen, müssen Sie sich von der ITP nicht ausbremsen lassen.

Eine Patientin wird mit dem Stethoskop abgehört

Klinische Studien

Bevor eine neue ITP-Therapie auf den Markt kommt, wird ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit in klinischen Studien geprüft. Hier finden Sie alles Wichtige rund um die Studienteilnahme.
 

Quellen:

  1. Onkopedia-Leitlinie Immunthrombozytopenie [Online] [Zitat vom 21.04.2023] https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/immunthrombozytopenie-itp/@@guideline/html/index.html
  2. Burchardt A, Panse J: Tischatlas ITP/SAA. Thieme, Stuttgart 2018.
  3. Gesundheitsinformation.de. [Online] [Zitat vom 21.04.2023] https://www.gesundheitsinformation.de/wie-kann-ich-meinen-eisenbedarf-decken.2780.de.html